I. Allgemeine Stimmung der Tschechen.
Die Stimmung der Tschechen war in der ersten Hälfte des
Monats Juni vorwiegend durch wirtschaftliche Sorgen bestimmt,
was sich politisch in einer Verstärkung der Gerüchtebildung
über einen baldigen Zusammenbruch des Deutschen Reiches infolge
Hungersnot auswirkte. Daneben spielte die Unruhestiftung
durch Gerüchte über Einberufung von Tschechen zu arbeits-
bezw. wehrdienstähnlichen Aufgaben oder zum Luftschutzdienst
in luftgefährdete Gebiete eine besondere Rolle.
Der Ausbruch des Krieges mit Sowjetrussland hatte nicht
die auf Grund jahrelanger Flüsterpropaganda und kommunistischer
und panslawistischer Stimmungsmache zu erwartende einheitliche
stimmungsmässige Auswirkung. Wenn auch der grösste Teil
der Tschechen die Nachricht, dass Deutschland nunmehr wieder
einen neuen Gegner zu bekämpfen hat, mit Schadenfreude aufnahm
und darin eine Bestätigung lange gehegter Hoffnungen erblickte,
so erreichte doch die freudige Stimmung fast nirgends
einen derartigen Höhepunkt wie nach der deutschfeindlichen
Wendung Jugoslawiens Ende März d. J. Dies dürfte auf verschiedene
Ursachen zurückzuführen sein: Einmal wirkte sich hier
offenbar das scharfe Vorgehen der deutschen Behörden bei früheren
Demonstrationen und vor allem die erfolgreiche staatspolizeiliche
Bekämpfung des illegalen Kommunismus und der geheimen
tschechischen Widerstandsbewegung günstig aus. Zum anderen
war das Vertrauen der Tschechen zu Sowjetrussland durch
dessen vorhergehende, nach aussen deutschfreundliche Politik
schon längere Zeit erschüttert, herrschte ja vor dem Kriegsausbruch
vielerorts die Ansicht vor, Sowjetrussland würde sich
jedem Druck Deutschlands beugen und vielleicht sogar dem Dreimächtepakt
beitreten. Es kommt hinzu, dass in den aus sozialen
oder weltanschaulichen Gründen von jeher antibolschewistisch
eingestellten Kreisen (besonders Bauerntum, wohlhabende Intelligenz-