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2. Politische Gruppen
Die Nationale Gemeinschaft ist in den letzten Wochen völlig
in einen Zustand politischer Passivität und Lethargie abgesunken.
Nicht nur in der tschechischen Öffentlichkeit ist
sie merklich in den Hintergrund getreten, auch im offiziellen
politischen Spiel verlor sie so sehr an Gewicht, daß sich beispielsweise
personelle Änderungen und Neubesetzungen wichtiger
Bevollmächtigtenstellen, die noch vor Monaten Gegenstand heftiger
Machtkämpfe der verschiedenen politischen Interessenten
waren, heute ohne nennenswerte Teilnahme der maßgeblichen Kreise
vollziehen. Besonders deutlich wird der Machtschwund der
NG in ihrem Verhältnis gegenüber der Regierung, deren politischer
Vorrang von der NG nunmehr offen zugegeben werden muß,
obwohl diese seit Bestand die Rolle einer politischen Überwachungsinstanz
anstrebte. Geradezu auffällig ist im Vergleich
zu dem in den Vormonaten gezeigten loyalen Übereifer das restlose
Fehlen jeglicher Loyalitätserklärungen, obwohl Weihnachten
und die Jahreswende hierzu Anlaß geboten hätten. Die Nationale
Gemeinschaft hat es auch bewußt unterlassen, sich
zum Jahreswechsel in Form eines Aufrufes oder Appells zu äussern.
So gingen Funktionäre und Mitglieder mit völliger Apathie
ins neue Jahr.
Diese planlose Passivität der Nationalen Gemeinschaft
geht im wesentlichen auf zwei politische Überlegungen zurück.
Die eine, die besonders unter dem Eindruck der außenpolitisehen,
für die Tschechen aufreizenden Kriegslage zustande kam,
besagt, die NG habe es angesichts des baldigen Sieges der Demokratien
nicht mehr nötig, ihren Apparat mühevoll aufzubauen,
weil dieser ohnehin bald durch das alte System abgelöst werde.
Sehr häufig wird als zweite Begründung für den völligen Leerlauf
des NG-Apparates angegeben, daß man es ohnehin in keiner
Weise den Deutschen recht machen könne und die Auflösung der
NG so oder so nicht zu verhindern sei. Unmittelbare Veranlassung
für das Wieder-aufleben solcher Auflösungsgerüchte bildete
der Aufsatz des Herrn Reichsprotektors in der Dezemberfolge